Oerlinghausen

Ausstellung in der Oerlinghauser Synagoge
Kunstverein präsentiert Michael Morgner

(gs). ?Ecce homo? (Sehet, welch ein Mensch) soll Pontius Pilatus über den geschundenen Jesus gesagt haben, weil er ihn für unschuldig hielt. Der im Johannesevangelium zitierte Ausspruch wurde später zu einem Leitmotiv in der bildenden Kunst. Auch in den Werken des Chemnitzers Michael Morgner hat der Satz eine zentrale Bedeutung. Beispiele seines umfangreichen Werkes sind derzeit im Ausstellungsraum Synagoge des Kunstvereins Oerlinghausen zu sehen.
Mehrfach kehrt der Schriftzug »Ecce homo« auf den acht, eng nebeneinander am Boden liegenden Bildern wieder. Schon durch ihre Proportionen erfordern sie die volle Aufmerksamkeit der Betrachter. Diese ?Jüdische Requiem? genannte Werkgruppe dominiert nicht nur den Raum, sondern schreit die Besucher der ehemaligen Synagoge geradezu an. Körperformen von offensichtlich leidenden Menschen sind zu erkennen, manchmal bis zum Skelett reduziert. Sie vermischen sich mit Farbflächen, die explosionsartig auseinander zu streben scheinen. Die Welt ist aus dem Gleichgewicht geraten, alles befindet sich in Auflösung. Die Bilder hinterlassen einen Eindruck von Chaos, Elend und Leid. Die Beschränkung auf Schwarz, Weiß und Braun steigert diese Empfindung zusätzlich.
Das ?Jüdische Requiem? stammt aus dem Jahr 1992. ?Die politische Aktualität in Israel scheint das Tableau der acht Bilder abermals zu verdunkeln?, bemerkte Gisela Burkamp in ihrer Einführung. Die künstlerische Leiterin des Vereins erkannte darin letztlich auch eine Bestätigung für ?die aus der Zeit gefallene wahrhaftige Gültigkeit? der Kunst Morgners.
Gisela Burkamp bezeichnete ihn als einen der bedeutendsten deutschen Künstler. Er wurde 1942 in Chemnitz geboren und hielt stets einen engen Bezug zu seiner Heimat. Seit Ende der siebziger Jahre wandte er sich vom Sozialistischen Realismus ab und verfolgte eine eigenständige Entwicklung. Gemeinsam mit Gleichgesinnten gründete er eine Künstlergruppe, die den Staatsorganen höchst verdächtig vorkam. ?Wir wurden von 130 Mann rund um die Uhr bewacht, jedes Wort wurde aufgezeichnet?, berichtete Morgner in Oerlinghausen. Auch künstlerisch beschritt er eigene Wege. Die zweite ausgestellte Werkgruppe (?Letzte Worte?) liefert Beispiele für seine Lavagetechnik. Dabei wird die auf Seidenpapier aufgetragene Tusche und der Asphalt mit einem Wasserstrahl wieder ausgewaschen und erneut bearbeitet. Es entstehen Farbschichten, die den Eindruck von räumlicher Tiefe hinterlassen. Das Papier verwandelt sich so ?in eine fragile Haut, gleichsam Träger von Spuren äußerer Einflüsse, von Erschütterungen, Erfahrungen und von Zeit, sinnlich erarbeitet und sinnlich erfahrbar?, sagte Burkamp.
Im Untergeschoss der Synagoge schließlich sind Zeichnungen ausgestellt, die Morgners heimatliche Landschaft abbilden. Die Wintermotive bestehen aus wenigen, aber markanten Strukturen und deuten damit auf einen ?Raum von vertrauter Geborgenheit?, wie Gisela Burkamp bemerkte. Morgner bestätigte dies: ?Ich kann nur zu Hause?, meinte der Sachse. Dies sei explizit keine Gedenkausstellung 20 Jahre nach dem Mauerfall, betonte Gisela Burkamp, vielmehr solle ein ungemein konsequenter und schöpferischer Künstler gewürdigt werden. ?Der immer noch undifferenzierte westdeutsche Blick auf ostdeutsche Kunst? sei jedoch ein regelrechter Skandal. Die Ausstellung endet am 29. März 2009. (red)



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eingetragen: 22.02.2009 - 11:20 Uhr