Überregional

Einzelhandel in Ostwestfalen-Lippe
Labile Lage, aber mit der Hoffnung auf Besserung

Wie steht es um den Einzelhandel in der Region Ostwestfalen-Lippe? Wie waren die vergangenen Monate und wohin geht der Weg?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Einzelhandel in der Region Ostwestfalen-Lippe intensiv, besonders mit Blick auf den weiteren Jahresverlauf.
Die traditionelle Konjunkturumfrage des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels Mitte April hat teilweise Antworten auf die obigen Fragen gegeben. Kurz gesagt: Die Antworten der befragten Einzelhandelsunternehmen, auch aus der Region Ostwestfalen-Lippe, machen Mut: Denn alles spricht dafür, dass sich der deutsche Einzelhandel restrukturiert. Zwar lebten 47 % der befragten Einzelhandelbetriebe im 2. Halbjahr 2004 weiterhin mit Umsatzeinbußen. Aber verglichen mit dem Vorjahreszeitraum (58 %) hat der Anteil der Umsatzverlierer deutlich abgenommen. Umgekehrt ist der Anteil der Betriebe, die in der zweiten Jahreshälfte 2004 einen Umsatzzuwachs erreichen konnten, auf 39 % gestiegen. Im Vorjahreszeitraum waren es nur 28 %.
Zwar schnitten die großen Unternehmen des Einzelhandels auch diesmal noch besser ab als die Kleinen: Zum Beispiel erhöhten im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres 64,2 % der Betriebe mit mehr als 10 Millionen Euro Jahresumsatz ihre Erlöse. Aber die kleinen Unternehmen holen deutlich auf. Immerhin 31 % der Unternehmen mit weniger als 250.000 Euro Jahresumsatz steigerten ihre Umsatzzahlen.
Ein Lichtblick sind die m Vergleich zur Vergangenheit positiveren Umsatzerwartungen. Nur 22 % der Geschäfte rechnen für das 1. Halbjahr 2005 mit einem Rückgang ihrer Umsätze, 28 % hoffen auf Umsatzsteigerungen.
Der Optimismus kehrt ganz allmählich in den Einzelhandel zurück ? es wurde dafür auch Zeit.
Wenngleich auch die konjunkturelle Situation weiterhin labil bleibt, weil die deutsche Wirtschaft bei immer noch schwachen Binnenkonjunktureinflüssen von dem Ausland abhängt. Eine vergleichsweise schwache Verzögerung der Impulse aus der Weltwirtschaft kann bereits eine Wachstumspause auslösen, wie wir sie im 2. Halbjahr 2004 überraschend erfahren haben.
Dennoch, es gibt in Deutschland und damit auch in Ostwestfalen-Lippe eine große Zahl von neuen, anspruchsvollen und innovativen Einzelhandelskonzepten, die bei den Verbrauchern gut ankommen. Und zum größten Teil kommen sie von kreativen mittelständischen Unternehmen, die sich schon bald als ?kleine Riesen? entpuppen könnten. Im deutschen Einzelhandel gibt es immer mehr neue, junge und erfolgversprechende Unternehmungen.
Im Handel hat dabei das Umdenken längst schon begonnen. Das zeigt sich auch darin, dass immer mehr Unternehmen auf den Gewinn und nicht auf Umsatzexpansion setzen.
Die Zukunft ist ein kleinwenig heller, aber bei weitem noch nicht rosig.
Die meisten Faktoren, die die Einzelhandelskaufkraft 2004 belastet haben, bleiben in abgeschwächter Form auch in diesem Jahr wirksam. Energie und Gesundheit werden mehr kosten und nochmals das Budget der Verbraucher für das Einkaufen verkleinern. Daher wird der Einzelhandel auch 2005 nicht mit einem Umsatzplus rechnen können. Nach der sehr vorsichtigen Schätzung des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels werden wir ein viertes Jahr in Folge mit einem negativen Vorzeichen erleben. Keine guten Aussichten, aber immerhin fällt das Minus nicht ganz so kräftig aus wie im vergangenen Jahr.
Wichtig ist dabei auch, dass die Innenstadt im Standortwettbewerb wieder bessere Karten hat. Die Citys konnten sich in den vergangenen anderthalb bis zwei Jahren wieder etwas besser vom Wettbewerb der Standorte, insbesondere gegenüber der grünen Wiese, behaupten. Die Innenstädte holen auf. Unter den Standorten geht der Trend hin zu immer stärkerer Polarisierung. Hier sind auch in Ostwestfalen-Lippe zwei Bewegungen zu beobachten:
Überdurchschnittlich gut läuft es bei Geschäften in den Top-Lagen in den Innenstädten oder aber auf der grünen Wiese. Diese Entwicklung wird sich nach Einschätzung des Einzelhandelsverbandes OWL in der Zukunft weiter verstärken.
Trotz dieses harten Standortwettbewerbes sind die Innenstädte nach wie vor die Einkaufsstandorte Nummer eins. Gemeinsam mit anderen zentralen Lagen erzielen sie etwa 2/3 der Umsätze im Einzelhandel.
Dennoch, die zunehmende Neuansiedlung von Einkaufszentren in den Stadtteilen und außerhalb der Ballungsbereiche verstärkt diesen Trend.
Heute existieren in Deutschland 352 Einkaufszentren mit über 10 Millionen Quadratmetern Verkaufsfläche. Zumindest positiv ist es, dass diese neuen Einkaufscenter in den letzten Jahren häufig nicht mehr auf der grünen Wiese entstehen.
Aber auch der Neubau innerstädtischer Einkaufscenter, mit zu viel Verkaufsfläche am falschen Standort, kann für die ansässigen Geschäfte in den Einkaufsstraßen das Aus bedeuten. Deshalb müssen neue Einzelhandelsflächen städtebaulich integriert werden und eine verträgliche Größe haben.
Einen Lichtblick und eine positive Entwicklung könnte in diesem Jahr der private Verbrauch für den Einzelhandel bringen. Erste Lebensgeister sind durchaus geweckt. So hat sich z. B. das Konsumklima, dessen Index monatlich von der Gesellschaft für Konsumforschung, GfK Nürnberg, ermittelt wird, seit Jahresende fast kontinuierlich verbessert. Dies gilt insbesondere für den Teilindikator Anschaffungsbereitschaft der Konsumenten. Es scheint so, als hätten die Verbraucher einwenig Hoffnung und Vertrauen geschöpft.
Ob diese leichte Verbesserung des Konsumklimas und die Abhärtung der Verbraucher gegenüber kleinen ?Schocks? bereits eine deutliche Belebung des privaten Verbrauchs in 2005 auslösen werden, wird noch zu beweisen sein.
Wichtig ist aber, dass selbst ein Anstieg der privaten Konsumausgaben nicht automatisch zu einer kompletten Belebung des Einzelhandels führen wird.
Dazu hat sich die Schere zwischen der Entwicklung des privaten Verbrauchs und des Einzelhandels in den letzten Jahre zu weit geöffnet. 2004 haben Verbraucher vor allem ihre Ausgaben für Kfz-Zubehör, für die Wohnung und Energie, Verkehr und das Nachrichtenwesen und für Gesundheit / Wellness verwendet.
Auch zahlreiche Rabattaktionen des Einzelhandels haben nicht den angestrebten Umsatzzuwachs erbracht. Verbraucher kaufen und geben ihr Geld eben dafür aus, wozu sie Lust haben, und nicht unbedingt wofür gerade 50 % Rabatt ausgelobt wird.
Klar ist hierbei, dass weitere Rabatte als Mittel des Verdrängungswettbewerbes zu einer Wertevernichtung führen, nicht aber in jedem Fall zu mehr Umsätzen und stärkerer Kundenbindung. Stärker als willkürlich und den Kunden eher verwirrende Preisrotationen lösen Aktualität, Qualität, Marke, das Besondere und nachvollziehbare Relevanz, Kaufentscheidungen aus.
Der Einzelhandel in Ostwestfalen-Lippe und hier vor allen Dingen der inhabergeführte, spezialisierte, mittelständische Facheinzelhandel wird sich daher noch stärker als bisher auf seine Kernkompetenzen, nämlich auf Service, Beratung und Qualität, nicht nur beim Produkt, sondern auch beim Verkauf besinnen und damit auch erfolgreich in 2005 Einzelhandel betreiben können.
Vorgelegt zur Jahrespressekonferenz 2005 des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe im Vorfeld der Delegiertenversammlung des EHV OWL am
14. Juni 2005 in der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld. (red)

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eingetragen: 22.06.2005 - 12:03 Uhr