Leopoldshöhe

Informationen aus der Gleichstellungsstelle der Gemeinde Leopoldshöhe

Zwangsheirat und Zwangsehen in Deutschland:
Für manche Frauen ist der Hochzeitstag der Eintritt zur Ehehölle
Auf Einladung der Gleichstellungsbeauftragten Annemarie Schneider referierte Judith Conrads Politologin und Vorstandsmitglied von TERRE DE FEMMES anlässlich des internationalen Tages ?Nein zu Gewalt an Frauen? im Kulturtreff.
Allein in Deutschland sind jedes Jahr über 1.000 Mädchen und Frauen von einer Zwangsverheiratung betroffen oder bedroht. Es soll der schönste Tag im Leben sein, doch für manche ist der Hochzeitstag der Eintritt zur Ehehölle.
Millionen junger Frauen werden weltweit gegen ihren Willen verheiratet. Wie hoch die Zahl der Zwangsverheiratungen in Deutschland ist, kann nicht einmal geschätzt werden. Nur wenige von ihnen können sich wehren oder trauen sich auszubrechen. Sich gegen Eltern und Verwandte zu stellen, dazu fehlt vielen der Mut und die Kraft.
Kamile Peköz ,Mich hat keiner gefragt´ wird mit sechzehn Jahren verlobt. Drei Wochen nach der Hochzeit schlägt ihr Mann die junge Türkin das erste Mal. Achtzehn Jahre durchlebt sie ein Ehemartyrium. Nur mit Hilfe einer deutschen Freundin kann sie in ein Frauenhaus fliehen.
Aylin Korkmaz bezahlte den Mut, sich scheiden zu lassen, fast mit dem Tod. Ihr Ex-Ehemann versucht, sie "im Namen der Ehre" umzubringen - doch die dreifache Mutter überlebt. 26 Messerstiche im Gesicht verunstalten die junge Frau für immer. Noch schlimmer sind jedoch die seelischen Narben und ein Leben in Angst.
Männer befehlen, Frauen gehorchen - das lernt die Tunesierin Esma Abdelhamid schon in ihrer Kindheit. In ihrem Buch "Löwenmutter" erzählt sie davon, wir ihr Vater, ein Polizist, die absolute Herrschaft in der Familie ausübte: Frau und Kinder müssen sich ducken, außer schweigendem Gehorsam waren die meisten Lebensäußerungen verboten, jedem Ungehorsam folgten harte Strafen. Esma wird zwar zur Schule geschickt, lernt dort aber weder lesen noch schreiben. Und dann wird sie verheiratet, mit 19 Jahren: an einen Mann, den niemand in der Familie kennt und der es nicht für nötig hält, sich ihr vorzustellen, als er beim Vater um ihre Hand anhält.
Ein Kuhhandel findet statt, den Vater beeindruckt der deutsche Arbeitsplatz des Mannes, Esmas Gefühle interessieren nicht. Die Hochzeitsnacht: eine Peinlichkeit unter den Augen der Verwandtschaft. Die Ankunft in Deutschland: der Beginn einer zwölfjährigen Totalisolation in einer Hamburger Wohnung, dem Zorn, der Ungeduld, der zunehmenden, rohen Gewalt ihres Ehemannes Abdullah ausgesetzt. Als Analphabetin wäre sie auch gar nicht in der Lage gewesen, sich in der fremden Stadt zu orientieren, einen Bus zu benutzen oder einkaufen zu gehen. Nicht einmal auf die Toilette im Treppenhaus wagt sie zu gehen, ohne sich zu vergewissern, dass sie niemandem begegnet. Kein Mensch kennt sie, weiß von ihr. So bringt sie drei Kinder zur Welt - eine Gefangene.
Nur selten brechen Frauen wie Esma, Aylin oder Kamile ihr Schweigen. Angst und Scham hielten sie jahrelang in ihrer ungewollten Ehe gefangen. Sie alle teilen das gleiche Schicksal und leben in einem Land, in dem Gleichberechtigung in der Verfassung steht, aber längst nicht für alle Frauen gilt.
Artikel 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte garantiert, dass eine Ehe lediglich im freien und vollen Einverständnis der künftigen Ehegatten geschlossen wird.
In Deutschland gilt die Zwangsheirat inzwischen als eigener Straftatbestand. Bislang galten Zwangsheiraten nur als schwere Nötigung. ?Damit wird zum Ausdruck gebracht? so Judith Conrads, ?dass die Zwangsheirat auch in Deutschland ein ernstzunehmendes Problem darstellt? ?Es sei falsch, darin eine tolerable Tradition aus anderen Kulturen zu sehen.?
Bei Verstößen gegen das Gesetz sollen bis zu fünf Jahren Haft drohen.
Den in Deutschland aufgewachsenen Opfern von Zwangsehen im Ausland wird ein Wiederkehrrecht eingeräumt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Betroffene in Deutschland eingelebt sei.



Die Bücherdiebin im Frauenliteraturcafé
Auf Einladung der Gleichstellungsbeauftragten Annemarie Schneider stellte U. Aaltonen im Frauenliteraturcafé ?Die Bücherdiebin? von Markus Zusak vor.
Der Tod als Erzähler: Der Tod erzählt von seiner Liebe zu Liesel und von seiner reichen Ernte im "Dritten Reich".
Die neunjährige Liesel, deren Eltern Kommunisten sind, wird 1939 in Bayern bei Pflegeeltern untergebracht.
Ihr kleiner Bruder, der sie begleitet stirbt auf der Fahrt dorthin. Am Grab ihres Bruders beginnt Liesels "Karriere als Bücherdiebin". Als Ausgleich zum Verlust all dessen was ihr vertraut war, stiehlt sie ein Buch, das Handbuch für Totengräber.
Die Welt ihrer Pflegeeltern ist ihr vollkommen fremd, sie braucht lange, bis sie Zutrauen zur Pflegemutter hat.
Ganz anders ist ihr Verhältnis zum Pflegevater, zu ihm hat sie einen liebevollen Kontakt, er kümmert sich um die kleine Liesel und nimmt ihr den Schrecken des Alleinseins. Mit dem Handbuch für Totengräber bringt er Liesel das Lesen bei. Die Welt der Bücher und der Sprache wird für sie ein unverzichtbarer Trost in dieser finsteren Zeit.
Ihre Pflegeeltern sind mutige Menschen, die monatelang einen Juden in ihrem Keller versteckten. Für die Hubermanns (Pflegeeltern) bedeutet dies auch eine Entscheidung gegen ihren Sohn, der zum überzeugten Nazi geworden ist.
Das Buch erzählt von dem ganz normalen Alltagselend der Kriegszeit, dem Schrecken dieser Zeit, zugleich aber vom Glück der Geborgenheit.
Zwei Geschichten aus der Kindheit seiner deutschen Mutter waren es, die Markus Zusak zu diesem Roman inspiriert hatten. Zum einen ihre Erinnerung an den blutroten Himmel über dem brennenden München und zum anderen an den Jungen, der einem durch die Straßen getriebenen Juden ein Stück Brot reichte und dafür von einem Soldaten geschlagen wurde.
Die Bücherdiebin stand in kürzeste Zeit auf den internationalen Bestsellerlisten als Jugendroman aber auch als Roman für Erwachsene.
Unterstützt von den mitgebrachten Leckereien diskutierten die Besucherinnen noch lange in den Abend hinein über das vorgestellte Buch.
Auf diesem Wege wünscht die Gleichstellungsbeauftragte allen Besucherinnen des Frauenliteraturcafés ein geruhsames und schönes Weihnachtsfest.
Weiter geht es mit dem Frauenliteraturcafé im Februar. (red)

Foto 1: Judith Conrads referierte im Kulturtreff



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eingetragen: 11.12.2010 - 07:49 Uhr